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Wenn das Kind die Erwachsenenrolle übernimmt: Parentifizierung erkennen und auflösen

Viele Menschen, die heute in ihren Beziehungen funktionieren, statt sich verbunden zu fühlen, haben eines gemeinsam: Sie mussten als Kind zu viel tragen. Zu früh. Zu lange.Nicht, weil sie wollten – sondern weil sie mussten.

Erwachsene Hand und Kinderhand

Dieses Phänomen hat einen Namen: Parentifizierung.


Was bedeutet Parentifizierung?

Parentifizierung beschreibt einen Rollentausch innerhalb der Familie. Das Kind übernimmt Aufgaben, die eigentlich die Bezugspersonen tragen sollten – emotional, organisatorisch oder psychisch. Es wird zur Stütze, zum Vermittler, zur Trösterin, zum Ersatzpartner – lange bevor es emotional dazu in der Lage ist.


Die Psychologie unterscheidet zwei Hauptformen:

  • Instrumentelle Parentifizierung: Das Kind übernimmt Verantwortung im Alltag. Es kümmert sich um jüngere Geschwister, hilft bei der Haushaltsführung, übernimmt organisatorische oder pflegerische Aufgaben.

  • Emotionale Parentifizierung: Das Kind wird zur emotionalen Bezugsperson – für einen Elternteil, der instabil, überfordert oder psychisch nicht präsent ist. Oft geht es um Trost, Regulierung, Aufmerksamkeit, seelische Ausgleichsfunktion.

Beide Formen hinterlassen Spuren. Oft ein Leben lang.


Wie Parentifizierung entsteht

Parentifizierung ist kein böswilliger Akt. Sie entsteht in Familiensystemen, die überfordert, dysfunktional oder traumatisiert sind. Einige typische Konstellationen:


  • Ein Elternteil leidet unter einer psychischen Erkrankung

  • Ein Elternteil ist suchtkrank oder chronisch überlastet

  • Es existieren starke Konflikte oder eine Trennungssituation

  • Die Eltern sind emotional unreif oder selbst parentifiziert

  • Das Familiensystem kennt keine gesunde Hierarchie


Das Kind spürt intuitiv: Wenn ich mich nicht kümmere, kümmert sich niemand.Und übernimmt – aus Bindung, aus Loyalität, aus Not.


Die langfristigen Folgen

Das Nervensystem eines parentifizierten Kindes lernt, in ständiger Alarmbereitschaft zu bleiben. Es überwacht die Stimmungslage im Außen, passt sich an, unterdrückt eigene Bedürfnisse. Das Kind entwickelt ein Selbstbild, das auf Funktion, nicht auf Gefühl basiert.


Im Erwachsenenalter zeigt sich das oft in folgenden Mustern:

  • Chronisches Verantwortungsgefühl für andere

  • Schuldgefühle beim Abgrenzen oder „Nein sagen“

  • Überanpassung in Beziehungen

  • Schwierigkeiten, eigene Bedürfnisse zu erkennen oder durchzusetzen

  • Erschöpfung durch emotionale Dauerverfügbarkeit

  • Unbewusste Angst, andere zu enttäuschen

  • Bindung über Leistung oder Fürsorge

  • Körpersymptome: Enge im Brustkorb, Druckgefühl, Schlafstörungen, diffuse Anspannung


Viele Menschen leben mit diesen Mustern, ohne den Ursprung zu kennen. Sie halten sich für „zu sensibel“, „zu empathisch“, „nicht belastbar genug“ – dabei reagieren sie auf ein System, das sie nie verlassen haben.


Warum Verstehen allein nicht reicht

Oft kommt irgendwann der Punkt, an dem der Zusammenhang verstanden wird. Die Kindheitsstruktur wird klar – kognitiv. Aber im Alltag greifen die alten Muster dennoch.

Der Grund: Parentifizierung ist kein rein kognitiver Prozess.Sie ist im Körper verankert.Im impliziten Gedächtnis. In den neuronalen Verschaltungen. Im Gefühl von Sicherheit, das mit Funktionieren statt mit Dasein verknüpft ist.

Und genau deshalb reicht es nicht, „es zu wissen“. Es braucht einen Zugang zur darunter liegenden emotionalen Erfahrung. Einen Raum, in dem das System neu fühlen darf, was damals nicht möglich war.


Wo Hypnose ansetzt

In der auflösenden Hypnose entsteht dieser Raum. Nicht durch Suggestion. Nicht durch kognitive Deutung. Sondern durch das direkte Erleben dessen, was unbewusst wirkt.

Häufig zeigt sich in der Trance:

  • Das überforderte Kind, das nie gesehen wurde

  • Die innere Stimme: „Ich darf nicht belasten.“

  • Ein ständiger innerer Druck, andere zu retten

  • Bilder, Körperempfindungen oder Szenen, die verdrängt waren

  • Der erste Impuls von Entlastung – und manchmal: Trauer

Hypnose macht das sichtbar, was nicht erinnerbar, aber spürbar ist.Und genau darin liegt das Potenzial:Das System darf regulieren, was es bisher nur kompensiert hat.


Was sich verändert, wenn sich Parentifizierung löst

Die Veränderungen sind oft leise – aber tief:

  • Abgrenzung wird möglich, ohne Schuld

  • Der Körper entspannt sich spürbar

  • Beziehungen werden freier, weil sie nicht mehr durch Leistung „gesichert“ werden müssen

  • Bedürfnisse werden erkennbar und legitim

  • Nähe wird neu verhandelbar – ohne Überforderung


Die innere Haltung verändert sich: Vom „Ich muss“ zum „Ich darf“.Vom „Ich funktioniere“ zum „Ich bin“.


Fazit

Parentifizierung ist ist eine Überlebensleistung. Aber sie darf heute in Frage gestellt werden.

Nicht aus Schuldzuweisung – sondern aus Selbstklärung. Denn das, was damals notwendig war, darf heute heilen.

Und genau hier beginnt Veränderung.

 
 
 

1 Kommentar


ac ab
ac ab
09. Okt.

Dieser Beitrag ist wirklich erstklassig. Die Informationen sind fundiert und die Präsentation ist sehr ansprechend. Er motiviert dazu, die eigene geistige Leistungsfähigkeit nicht als gegeben hinzunehmen, sondern als etwas, das man aktiv formen kann. In einer Welt, die immer schnellere Reaktionen erfordert, ist mentale Agilität ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ein einfacher Online-Test zur Reaktionszeit ist eine fantastische Methode, um ein Bewusstsein für die eigene kognitive Fitness zu schaffen. Es ist ein spielerischer Weg, sich selbst besser kennenzulernen.

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